zur Übersicht

OLG Stuttgart: Werbe-Mailings ohne Einwilligung möglich

Sind Werbe-Mailings ohne Einwilligung der Empfänger erlaubt? Diese Frage bekommen wir in verschiedensten Varianten regelmäßig von Marketing-Abteilungen gestellt. Leider ist eine pauschale Antwort darauf nicht möglich. Es kommt tatsächlich auf den konkret geplanten Sachverhalt an.

Nun hat das OLG Stuttgart in einem Beschluss (Az.: 2 U 63/22 v. 2.2.2924) einige interessante Ausführungen zur personalisierten postalischen Werbung unter Beteiligung Dritter gemacht. Im Ergebnis erkennt das Gericht an, dass personenbezogene Daten der Empfänger grundsätzlich zum Versand postalischer Werbe-Mailings genutzt werden dürfen und dass auch ohne die Einwilligung dieser Personen. Aber worum ging es genau?

Der Sachverhalt

Die Beklagte versendete im sogenannten Lettershop-Verfahren postalische Werbung für Produkte der „H AG“, einer Lebensversicherung, an Empfänger in Deutschland. Die Namen und Adressen hierfür bezog sie zu diesem Zweck von einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Der Kläger war Adressat eines dieser Werbeschreiben und machte die Verletzung seiner Rechte aus der DSGVO geltend. Seiner Auffassung nach habe die Beklagte seine personenbezogenen Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO verarbeitet, wodurch ihm ein immaterieller Schaden (in Höhe von 3000(!) Euro) entstanden sei, den er gemäß Art. 82 DSGVO ersetzt verlangte. Weiterhin verlangte er die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Vor dem Landgericht Stuttgart unterlag er mit seiner Klage. Dagegen legte er Berufung zum OLG ein, welches allerdings die Entscheidung des Landgerichts vollumfänglich bestätigte.

Rechtlicher Hintergrund

Die Frage, ob und wie Werbung auch ohne Einwilligung der Empfänger versendet werden kann, richtet sich in erster Linie nicht unbedingt nach den Vorschriften der DSGVO. Kernvorschrift ist hier regelmäßig § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“). Danach ist z. B. die Werbung per E-Mail ohne Einwilligung der Empfänger verboten. Hiervon gibt es nur enge Ausnahmen für die Werbung bei Bestandskunden. Unabhängig von datenschutzrechtlichen Vorgaben ist es Unternehmen also verboten, Menschen per E-Mail mit Werbung für eigene oder fremde Produkte und Dienstleistungen anzuschreiben. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es möglich ist, zu sehr geringen Kosten massenhaft E-Mails zu verschicken und damit eine unangemessene Belästigung der Empfänger zu befürchten ist. Der Gesetzgeber wollte solchem Vorgehen damit Einhalt gebieten.

Dies gilt hingegen nicht für Werbung, welche klassisch mit der Post versendet wird. Hierfür fällt Porto an, sodass Massen-Mailings weniger wahrscheinlich sind. Das UWG setzt hier also erst einmal keine Grenzen. Soweit für die Anschreiben allerdings personenbezogene Daten verwendet werden, um die Empfänger personalisiert anzuschreiben, gelten die Regeln der DSGVO. Und die verlangt, dass für diese Art der Verarbeitung eine Rechtsgrundlage gegeben sein muss, also zum Beispiel eine Einwilligung. Liegt eine solche nicht vor, kommen weitere Erlaubnistatbestände, vor allem die Verfolgung sogenannter berechtigter Interessen, in Betracht. Hiermit hat sich das OLG Stuttgart auseinandergesetzt.

Die Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass die Beklagte sich für die Verarbeitung der Daten des Klägers auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO stützen konnte. Sie verfolgte also legitimer Weise berechtigte Interessen, wobei die Interessen des Klägers diese nicht überwogen hätten. Das Gericht bezieht sich dabei wesentlich auf Erwägungsgrund 47 zur DSGVO, welcher die Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke des Direktmarketings grundsätzlich als berechtigtes Interesse anerkennt.

Interessant ist die Entscheidung dennoch, denn das Gericht stellt einige weitere Punkte heraus. So sei es, entgegen der Behauptungen des Klägers, unter anderem kein milderes Mittel gewesen, die Werbung per E-Mail zu versenden. Dies begründet das Gericht überzeugend damit, dass der Gesetzgeber ja – siehe zuvor – entschieden habe, dass für Werbung auf elektronischem Weg in aller Regel eine Einwilligung vorliegen muss. Dementsprechend konnte der Kläger sich nicht darauf berufen, dass der Versand der Werbung per E-Mail „weniger belastend“ für ihn gewesen wäre.

Weiterhin stellt das Gericht fest, dass alleine das Interesse des Klägers, keine Werbung zu erhalten, nicht zu einer für ihn günstigen Interessenabwägung führe, welche die Verarbeitung seiner Daten unzulässig machen würde. Auch hier verweist das Gericht auf die Entscheidung des Gesetzgebers, wonach dies nur dann beachtlich ist, wenn ein Betroffener Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegt (Art. 21 Abs. 2 DSGVO).

Auch sei es unerheblich, ob die Empfänger Bestandskunden des werbenden Unternehmens seien. Ein berechtigtes Interesse an Direktwerbung bestehe auch bei potentiellen Neukunden.

Spannend ist, dass es sowohl das OLG als auch das vorinstanzliche Landgericht als unproblematisch ansehen, dass die Daten des Klägers von einem Dritten Unternehmen erworben wurden. Ob es sich dabei um einen professionellen Adresshändler handelt, lässt sich aus den Entscheidungen leider nicht herauslesen. Die Gerichte gingen aber davon aus, dass die Daten „öffentlich verfügbar“ waren. Dies dürfte Grund zur Freude für die Werbebranche sein.

Im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des EuGH (vgl. dazu Rothe/Eder, in: CCZ 2024, 50) weist das Gericht folgerichtig den geltend gemacht Anspruch auf Schadensersatz zurück. Obwohl es für den immateriellen Schaden keine Erheblichkeitsschwelle gebe, müsse der Kläger einen Schaden konkret darlegen. Die bloße Behauptung einer „seelisch belastenden Ungewissheit über das Schicksal seiner Daten“ reichte dem Gericht dafür nicht. Selbst wenn also die Verarbeitung der Daten des Klägers ohne Rechtsgrundlage erfolgt wäre, hätte dies nicht gereicht, um immateriellen Schadensersatz zu verlangen.

Was ist sonst noch wichtig?

Alles in allem eine sehr relevante Entscheidung für werbende Unternehmen, welche einige umstrittene Fragen klarstellt. Dennoch muss weiterhin immer der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Unternehmen, die Werbung ohne Einwilligung versenden, sollten z. B. sicherstellen, dass sie eine Liste mit Widersprüchen vorhalten, um auszuschließen, dass Personen angeschrieben werden, die dies untersagt haben.

Außerdem sind die Informationspflichten der DSGVO zu beachten. Die Werbenden müssen also unter anderem darüber aufklären, aus welcher Quelle sie die personenbezogenen Daten bezogen haben und ob diese an Dritte übermittelt werden.

Im Ergebnis ist die Entscheidung für Werbetreibende jedoch erfreulich und hilfreich.

Melden Sie sich gerne zu unserem Newsletter an, wenn Sie regelmäßig aktuelle Nachrichten zu Datenschutz und Compliance erhalten möchten.