Praxisübernahme und Datenschutz: Vorsicht bei Patientendaten!
Die Übernahme einer Arzt- bzw. Heilpraktikerpraxis durch einen Kollegen kann für beide Seiten sehr vorteilhaft sein. Für den Käufer ist dabei insbesondere die Übernahme der bestehenden Patienten von besonderem Interesse und zumeist auch der zentrale Anlass, eine Praxisübernahme anzustreben.
Doch Vorsicht! Patientendaten dürfen in den meisten Fällen ohne das explizite Einverständnis der Betroffenen nicht einfach von einem Behandelnden zu einem anderen weitergereicht werden! Andernfalls droht im ärgsten Fall sogar eine strafrechtliche Verfolgung.
Einen „einfachen Weg“ aus der Misere gibt es nicht. Unter Beachtung des „Zwei-Schrank-Modells“ oder mithilfe der Einrichtung einer temporären Gemeinschaftspraxis ist es dennoch möglich, eine Praxisübernahme datenschutzkonform zu gestalten und dabei auch die Übernahme von Patienten zu ermöglichen.
Patientenübernahme ist ohne explizites Einverständnis meist nicht rechtens
Bei einer Praxisübernahme steht in den allermeisten Fällen die Übernahme der Patienten im Fokus des Interesses des Käufers. Ist dies möglich, hat er bereits ab Beginn seiner Tätigkeit in der neuen Praxis einen Patientenstamm und muss sich diesen nicht erst über längere Zeit aufbauen. Regelungen zur Patientenübernahme sind daher gemeinhin im Zentrum aller Absprachen und Verträge zu Praxisübernahmen zu finden.
Hier ist jedoch große Vorsicht geboten, denn ohne explizites Einverständnis der Patienten ist eine solche Übernahme nicht rechtmäßig oder fällt bestenfalls in eine rechtliche Grauzone. Der Hintergrund ist die ärztliche Schweigepflicht, die sich auch auf die Weitergabe von Patientendaten zwischen Behandelnden bezieht.
Werden Patientendaten ohne explizites Einverständnis in Schriftform etwa mittels einer Schweigepflichtentbindung oder eines Behandlungsvertrages weitergegeben, kann neben einem Verstoß gegen die DSGVO eine Strafbarkeit nach § 203 StGB gegeben sein. Auch Schadensersatzansprüche können von Betroffenenseite bestehen und geltend gemacht werden. Außerdem kann ein Übernahmevertrag selbst beim Vorhandensein einer salvatorischen Klausel unwirksam sein, wenn die Patientenkartei gesondert ausgewiesen wird und einen gewissen Anteil am Kaufpreis übersteigt.
Auf der anderen Seite werden im Alltag von Ärzten und anderen Behandelnden regelmäßig Patientendaten ohne explizites Einverständnis weitergegeben. Ein häufiger Anwendungsfall sind etwa Überweisungen von Allgemeinmedizinern an Fachärzte oder Einweisungen ins Krankenhaus. Hier greift jedoch § 9 Abs. 5 der Muster-Berufsordnung (früher Abs. 4), die für solche Fälle eine Entbindung von der Schweigepflicht annimmt, selbst wenn diese nicht explizit ausgesprochen wurde.
Von einem impliziten Einverständnis kann im Gegensatz dazu im Falle einer Praxisübernahme jedoch kaum ausgegangen werden. Ausnahmen können bestehen, wenn Patienten zum Zeitpunkt der Übernahme etwa aufgrund von Bewusstlosigkeit nicht in der Lage waren, eine explizite Einwilligung zu erteilen. Dies ist jedoch immer eine Einzelfallentscheidung und wird für den größten Teil der Patientenkartei bedeutungslos sein.
Andere Versuche, eine solche implizite Einwilligung rechtmäßig zu erlangen, sind indes meist zum Scheitern verurteilt. Es ist beispielsweise nicht ausreichend, Briefe zu verschicken, um über die Praxisübernahme zu informieren mit einem Hinweis, dass ohne explizite Ablehnung eine Einwilligung angenommen wird. Auch Hinweisschilder in der Praxis selbst ersetzen keine Einwilligung.
Eine sichere Einwilligung kann per Post oder im Vorhinein durch den Verkäufer der Praxis im laufenden Betrieb eingeholt werden. Neben der Einwilligung ist auch die Information der Patienten über die neue Verarbeitung ihrer Daten gemäß Art. 13 DSGVO erforderlich.
Das „Zwei-Schrank-Modell“ – Vorsicht bei digitalen Patientendaten
Aufgrund der strengen Datenschutzvorgaben hat sich bei Praxisübernahmen das sogenannte Zwei-Schrank-Modell etabliert. Hier verbleiben nach der Übernahme die Akten von Patienten, von denen noch keine Zustimmung vorliegt, in einem Schrank, auf den nur der Vorgänger Zugriff hat. Nach der expliziten Einwilligung der jeweiligen Patienten im laufenden Betrieb werden deren Akten dann an den Nachfolger weitergereicht.
Dieses Modell kann den juristischen Anforderungen standhalten, wenn sichergestellt ist, dass der nachfolgende Behandler ohne Einwilligung keinen vorherigen Zugriff auf die Patientendaten hat. Da im Vorhinein keine sichere Aussage darüber gemacht werden kann, wie viele Patienten tatsächlich der Übernahme zustimmen, sollte dies im Vertrag im Rahmen einer Preisanpassungsklausel geregelt sein.
Es hat jedoch einige inhärente Schwächen. Es setzt beispielsweise die Kooperation des Vorgängers voraus. Dieser muss sich in jedem einzelnen Fall darüber versichern, dass Patienten tatsächlich der Datenweitergabe zugestimmt haben. Es kann dabei vorkommen, dass selbst Jahre nach der Praxisübernahme noch Altpatienten der Datenweitergabe zustimmen, sodass auch für diesen Fall vorgesorgt sein muss.
Noch gravierender ist jedoch die Problematik, dass sich das klassische Zwei-Schrank-Modell zumeist nur für physischen Papierakten eignet. Ein „digitales Zwei-Schrank-Modell“ ist hingegen mit vielen verfügbaren Praxissystemen nicht umsetzbar oder erfordert einen enormen Aufwand. Am sichersten fahren Sie damit, wenn Sie die Patienten in Ihrer EDV auf Grundlage der übergebenen (Papier-)Akten neu anlegen.
Streben Sie eine vollständige digitale Übertragung an, sollten Sie dies unbedingt im Vorhinein technisch und juristisch prüfen lassen.
Gemeinschaftspraxis als Übergangslösung
Eine Alternative zum Zwei-Schrank-Modell ist das Einrichten einer temporären Gemeinschaftspraxis des Vorgängers mit seinem Nachfolger, alternativ kann der Nachfolger auch als angestellter Arzt für seinen Vorgänger arbeiten. Da die praxisinterne Weiterreichung von Informationen vom Datenschutz in den meisten Fällen abgedeckt ist, kann davon ausgegangen werden, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits freien Zugang zu den Patientendaten hat, ohne dass dies einer besonderen Einverständniserklärung durch die Patienten selbst bedarf.
Bei einer darauf folgenden kompletten Übernahme der Praxis gelten die Patientendaten dann bereits als dem Nachfolger bekannt. Eine explizite Einverständniserklärung ist dann nicht mehr erforderlich.
Diese Lösung setzt ebenfalls die Kooperation des Vorgängers voraus und sollte obendrein von langer Hand geplant sein. Dafür hat sie für alle Seiten viele Vorteile. Auch die Patienten haben im Rahmen einer solchen Tätigkeit die Chance, den neuen Behandler gebührend kennenzulernen, was den Übergang insgesamt erleichtert.
Auch bei der Einrichtung einer temporären Gemeinschaftspraxis wird empfohlen, die Patienten zumindest zu informieren, um Transparenz zu wahren.
Lassen Sie sich professionell beraten
Behandelnde unterliegen in Deutschland besonders strikten Datenschutzvorgaben, die sie regelmäßig vor Herausforderungen stellen. Gleichzeitig müssen sie bei Datenschutzverstößen besonders drastische Konsequenzen befürchten, die regelmäßig auch das Strafrecht und das Berufsrecht betreffen.
Als behandelnder Arzt oder Heilpraktiker sind Sie daher gut beraten, sich bei komplexen Sachverhalten wie einer Praxisübernahme im Voraus professionell beraten zu lassen. Als Experten für Datenschutz helfen wir Ihnen gerne dabei, derartige Herausforderungen rechtlich sicher zu meistern.